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Steht das Rathaus zum Verkauf?

Steht das Rathaus zum Verkauf?

Städtischer Haushalt um die Ecke gedacht. 

Die Stadt Zeitz hat für 2016 einen beschlossenen Haushalt. Das ist selbst mit dem Wissen um die Lücke von 1,8 Millionen Euro gut. Eine gute Zeit, städtische Haushalte einmal um die Ecke zu begucken.

Seit 2013 werden in den Gemeinden in Sachsen-Anhalt die Haushalte nach den Grundsätzen der Doppik aufgestellt. Doppelte Haushaltführung also. Ganz ähnlich den Konzernen. Zeitz ein Konzern? Der Oberbürgermeister Vorstandsvorsitzender? Der Stadtrat Aufsichtsrat? Was soll das denn. Auf den Seiten der Landesregierung liest sich das so:

Durch die Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens (NKHR) wird dem kommunalen Bereich ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem ein wirtschaftlicheres und nachhaltigeres Steuern der kommunalen Haushalte möglich ist. Die Umstellung von einem Geldverbrauchssystem zu einem Ressourcenverbrauchssystem macht das Handeln der Gemeinde transparenter.

Stimmt das? Macht der Doppikhaushalt das „Handeln der Gemeinde transparenter“? Für einen Finanzminister vielleicht. Für Gemeinderäte nicht. Im Gegenteil!

Bei Wirtschaftprüfern liest sich das so:

Landkreise, Städte und Gemeinden müssen einen Gesamtabschluss oder Konzernabschluss aufstellen. Im Gesamtabschluss werden die Jahresabschlüsse der Gebietskörperschaft und ihrer Tochtergesellschaften zusammengefasst, um konzerninterne Vorgänge zu eliminieren bzw. konsolidieren. Die Konsolidierung umfasst die Verrechnung der Anschaffungskosten der Beteiligung mit dem anteiligen Eigenkapital (Kapitalkonsolidierung), die Verrechnung von konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten (Schuldkonsolidierung), die Aufrechnung von konzerninternen Erträgen und Aufwendungen (Aufwandskonsolidierung) sowie die Eliminierung entstandener Zwischengewinne.

Der Gesamtabschluss ermöglicht erstmals den vollständigen Einblick in die Vermögens- und Schuldenlage der Gebietskörperschaft und dient letztlich der Haushaltssteuerung. Steuerkraft der Kommune, Grad der Aufwandsdeckung, Eigenkapitalquoten, Verschuldungsgrad und Verschuldung pro Kopf sind wichtige Kennzahlen zur Analyse der wirtschaftlichen Situation.

Gemeinderäten allerdings wird die Arbeit dadurch ziemlich schwer gemacht. Sie können in der Haushaltssatzung zwar sehen, ob der Haushalt gedeckt ist oder nicht und wie hoch eine etwaige Unterdeckung ist. Sie erkennen wie hoch die Kreditaufnahmen sein werden und wie viel Geld für Investitionen bereit steht oder fehlt.
Nur, den für Gemeinderäte wichtigen Blick auf einzelne Positionen, Maßnahmen und Projekte, den müssen sie sich nunmehr mühsam erarbeiten. Etwa wenn sie wissen wollen, für welche freiwillige Aufgabe wie viel Geld bereit steht, dann ist viel Fußarbeit gefragt. Sie finden in ihren Sitzungsunterlagen weder die KITA noch das Kulturhaus, geschweige denn zugehörige Ausgaben oder Einnahmen. Dafür müssten sie ins Rathaus laufen und dort darauf hoffen, irgend jemand im zuständigen Sachgebiet nimmt sich die Zeit, die Listen aufzuschlagen und sich den Fragen zu stellen. Nüchtern betrachtet ist das neue System in der Tat ein „Ressourcenverbrauchssystem“. Indem es unendlich viel von den Ressourcen Zeit und Manpower frisst. Für Stadträte ist doppelte Haushaltsführung beim Versuch zu gestalten mindestens doppelte Erschwernis.

Ein Finanzminister indes kann in den Bilanzen der Gemeinden mehr sehen, als Gemeinderäte im täglichen Ehrenamt je werden wissen wollen und wohl auch nicht unbedingt wissen müssen. Doch halt, noch kann er nicht einmal das wirklich sehen was ihn interessiert. Denn noch steht nicht einmal eine Eröffnungsbilanz, die Auskunft über die tatsächlichen Vermögenswerte geben könnte. Und wenn, wem könnte das am Ende eigentlich wirklich nützen? So sehr ein Doppikhaushalt „wirtschaftlicheres und nachhaltigeres Steuern“ grundsätzlich möglich machte – Städte verfügen eben nicht im Ansatz über hierfür notwendige konzerntypische Steuerungsinstrumente. Sie hängen an den Tröpfen von Programmen und Landesfinanzierungsstrukturen. Was sie noch selbst steuern können ist gegenüber Konzernen doch weitestgehend überschaubar.
Wem also nützt es?

Bestenfalls einem Finanzminister. Der, verkrampft die Hände in den klammen Taschen nach Kleingeld suchend, könnte eines schönen Jahrhunderts auf die Idee kommen zu sagen: wie, ihr habt kein Geld mehr für eure freiwilligen Aufgaben….ich kenne eure Vermögenswerte ganz genau, verkauft euer Rathaus dann habt ihr Geld.

Wir erinnern uns. Städte, die einst auf ppp-Modelle schwörten (private public partnership) sind kläglich gescheitert damit. Straßenbahnlinien haben sie vertickt, um sie dann zu mieten, städtische Wohnungsbestände verschachert, um sie nach Verlustgeschäften doch wieder heim zu holen. So kommt es, wenn Finanzminister oder Kämmerer versuchen, wie Konzernchefs zu denken.

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About The Author

REINER ECKEL Jahrgang 1953, wohnt in Zeitz. Der Web 2.0-Enthusiast ist in Sachen Web, Grafik und Layout als Autodidakt unterwegs. Betreibt zeitzonline.de seit 23. Februar 2011.

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