Von kultivierten Freundschaften und kulturlosen Abräumern.
Auf die kleine Amsel ist Verlass. Beim Frühstück im Garten läuft sie direkt neben uns und sucht emsig nach Gewürm und Käfereien. Ab und zu, den Schnabel schon gefüllt blickt sie zu uns auf als wollte sie fragen, ob sie noch etwas nehmen kann. Sie kann, denn auch auf uns ist Verlass. Dank der noch immer reichlichen Bauarbeiten im Garten vergeht kaum ein Tag ohne Bereitstellung frischer Amselleckereien. Die frisch aufgewühlte Erde ist voll davon.
Inzwischen gibt es so eine Art Vertrauenspartnerschaft. Die Amsel erfreut uns mit ihrer quirligen und singenden Anwesenheit. Wir geben ihr einen Platz zum brüten und die Leckereien für das Überleben.
Die Amsel, lese ich, gehört zu den Hemerophilen. Hemerophil kommt aus dem Griechischen, hemeros für kultiviert und Philos ist der Freund. Also dürfen wir statt Vertrauenspartnerschaft auch sagen wir pflegen mit unserer Amsel eine kultivierte Freundschaft.
Die Amsel, so lese ich weiter, war ursprünglich Waldbewohner und sei als so genannter Kulturfolger dem Menschen in seine Siedlungen gefolgt. Sie trifft hier auf bessere Lebensbedingungen als in den vom Menschen zurück gebauten oder krank gemachten Wäldern.
Die Tage las ich nun mehrfach beim Frühstück mit der Amsel von der abstrusen Idee, vor der Zeitzer Franziskanerklosterkirche vier große Linden zu fällen und an deren Stelle Beleuchtungen und Pflastersteine zu setzen. Dort wird das also nichts mit der kultivierten Freundschaft mit den Amseln. Wo wir doch beim Franziskanerkloster gern von der zukünftigen Kulturkirche sprechen. So werden die Amseln, und nicht nur die, wohl sehen müssen, wem sie nun wohin folgen. Vielleicht meiner Amsel am Frühstückstisch.