„Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet“
So lautet eine Bildunterschrift von Anica_1995 auf Instagram, die vor der Plastik des Bildhauers Joachim Hering im September 2018 posiert. Vergangene Woche wurde das Kunstwerk quasi über Nacht zum Mittelpunkt der Stadtgespräche veredelt. Oder hat man es geschändet? Eine lebhafte Aufruhr regt zur Debatte an.
Es ist schon beeindruckend, wie viel Aufmerksamkeit eine fixe Lackierung auslösen kann. Die Lokalredaktion der MZ hat sich gehörig am Thema festgebissen und trägt maßlos dazu bei, dass viel Lärm um nichts gemacht wird. Mich erschreckt dabei vor allem die breite Zustimmung, die diese Aktion findet. Besonders in den sozialen Medien wird fast gänzlich wohlwollend über das vergoldete und versilberte Pferdchen gesprochen. Zwar ist das Kunstwerk und der umliegende Roßmarkt für kurze Zeit wiederentdeckt und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, doch das hätte man in Zeitz vermutlich auch mit einer Bauampel geschafft. Vielleicht ist es aber vielmehr die Freude darüber, dass der stadtbekannte Vandalismus auch Glanz zurücklassen kann.
Denkmäler sind ebenso wie Kunstwerke allzu oft Ziel zerstörungswütiger und halbgewalkter Rowdys. Aber wo hört Kunst auf und wo beginnt Vandalismus? Man sollte festhalten, dass es sich hier nicht um ein Denkmal handelt. Das ändert zwar nichts an der Tatsache einer Sachbeschädigung, aber immerhin an der Frage danach, was hier eigentlich beabsichtigt wurde, insofern diese Frage überhaupt zulässig ist. Beklagenswert ist nämlich in diesem Fall die fehlende Nachricht der nächtlichen Verursacher, die ein Bekenntnis und damit die Motivation offenlegt oder zumindest die Aktion als Kunst ausweist. Denn damit bleibt es Vandalismus und nicht Paragone. Über Narrenfreiheit in der Kunst lässt sich bekanntlich in höchstem Maße streiten, solange es sich eindeutig um Kunst handelt. Dreht es sich aber um einen schädlichen Eingriff und Verschmähung eines Kunstwerks, kann es nur als Sachbeschädigung verstanden werden. Und diese verlangt eine kostenintensive Reinigung aus Angst, dass womöglich bald die Ziege in der Wendischen Straße samt ihrer Artgenossen so kunterbunt blitzen wie der „Leofant“ im Goethepark oder die spielenden Pferde in der Innenstadt. Kunst muss als Kunst ausgewiesen werden. Sonst ist es keine Kunst. Hätte es Herr Hering selbst gemacht oder beauftragt, wäre es (auto)destruktive Kunst und damit irgendwie Banksy-Style. Aber in diesem Fall ist es eine Beleidigung. So wird das Crossen bzw. Übersprühen von etwas Bestehendem auch in der Graffiti-Szene aufgefasst. Street Art jedenfalls ist mehr als Schmiererei, sie bewegt und macht Lust auf Urbanität und Kommunikation. Aber nicht zulasten der Kunst, sondern als Kunst. Und damit bleibt die lackierte Pferdeplastik leider nur ein Dorfstreich.