Keine zehn Sekunden für ein Lächeln?
Kinder sind so etwas Schönes, Belebendes, Wärmendes und obendrein Unabdingbares für die Gesellschaft. Nur für manche Mitmenschen wohl nicht, nachmittags in Zeitz, der Heimat der Kinderwagen.
Es ist so etwas wie Rush Hour. Wenn davon in der Kleinstadt überhaupt die Rede sein kann. Menschen, denen das schon im beschaulichen Zeitz offensichtlich Stress macht, waren um diese Zeit noch nicht in Leipzig oder Berlin, in Paris schon gar nicht. Doch was heißt hier Stress? Wir begegnen Auto fahrenden Menschen, die völlig ausrasten. Das Auto als Waffe zum Abbau von Alltagsfrust oder weiß ich welchen inneren Störungen. Wegen 10 Sekunden. Denn länger hat der ganze Vorgang nicht gedauert.
Schauplatz Kleefeldplatz, stadteinwärts. Voraus rechterhand am Bürgersteig eine junge Frau mit Kinderwagen. Aus der überschaubaren Warteschlange sehe ich ihren dritten vergeblichen Versuch, die Straße zu überqueren. Dann habe ich die Stelle erreicht. Ich halte und zeige ihr mit deutlicher Geste an, dass ich warten würde und sie gehen könne. Keine 10 Sekunden, und doch zuviel für den nachfolgendem Kleinstädter. Hupen, Lichthupe, Tür auf und: „Was hälst du Dämlack wegen der blöden Tussi?“ schreit es aus dem offensichtlich vom Alltag und sich selbst überforderten Mitmenschen hinter mir.
Eine harmlose Verbalattacke? Keineswegs. Denn als ich den Mittvierziger frage, wo nun sein Problem liegt bietet er mir Prügel an. Gewaltandrohung wegen ein paar harmloser Sekunden für eine normale Geste. Ob er wohl Kinder hat? Wenn ja, was würde aus ihnen? Wer lehrte sie Anstand und Respekt, wenn schon nicht sich selbst, dann wenigstens anderen gegenüber?
Mich befremdet dieser wie eine Seuche um sich greifende Verlust an Freundlichkeit und respektvollem Umgang. Menschenkinder, 10 Sekunden für ein Lächeln lohnen sich immer!