08.03.17 / 19:30 / Capitol
MANON STRACHÉ ist auf der Theaterbühne genauso zu Hause wie vor der Kamera – und als Blumenhändlerin Claudia in der „Lindenstraße“ oder als Elfie Gerdes bei den „Girl friends“ und im „Hotel Elfie“ hat sie sich in die Herzen der Menschen gespielt.
Manon Straché erzählt nun ihre „Geschichte der Geschichte“: sie nennt die Stationen ihres privaten und beruflichen Lebens, ihre Zeit in Ost und West – inklusive humorige Lebens- und Alltagsbetrachtungen.
Natürlich geht es dabei auch um die Menschen, die ihren Weg gekreuzt haben, Dieter Hildebrandt, Horst Buchholz, Konstantin Wecker, Udo Jürgens, Gerhard Polt, Werner Schneyder, Jochen Busse, Helmut Lohner, aber auch Erich Honecker und Jassir Arafat, der ihr die Hand küsste. Und so beschäftigt sich Manon Straché nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit, sondern auch mit dem Teil der deutsch-deutschen Geschichte, den sie miterlebt hat. Dabei fördert sie Erstaunliches, Absurdes und Komisches zu Tage: politischen Witz und Alltagshumor, DDR- Slogans und Wortspiele – und die Erkenntnis, dass im Osten und Westen schon immer über das Gleiche gelacht wurde.
Eintrittspreise:
Vorverkauf: 15,00/ 13,00 bzw. 11,00 € sowie 13,00/ 11,00 bzw. 9,00 € (ermäßigt)
Abendkasse: 17,00/ 15,00 bzw. 13,00 € sowie 15,00/ 13,00 bzw. 11,00 € (ermäßigt)
Tickets erhalten Sie in der Tourist-Info, allen bekannten VVK
„Ich heiße Manon Straché und erblickte am 27. März 1960, an einem Sonntag, zwar nicht gerade das Licht der Welt, aber das der Landesfrauenklinik in Magdeburg – nun ja. Meine Mutter, Lisette Straché, war Ballett-Tänzerin am hiesigen Theater und alleinstehend. Also wuchs ich zunächst bei meiner Oma in Naunhof bei Leipzig auf. Mit vier Jahren zog ich dann wieder zu meiner Mutter, die inzwischen den Orchestermusiker Harro Stockmann geheiratet hatte.
Geschwister habe ich keine, aber wir hatten einen Hund. Ich ging in Magdeburg in den Kindergarten und hatte alle Hände voll zu tun, mir den sächsischen Dialekt abzugewöhnen, ohne mir den Magdeburger Dialekt anzugewöhnen. Da ich sehr klein war, durfte ich mit sechs Jahren noch nicht zur Schule gehen und wurde vom Kinderarzt für ein Jahr zurückgestellt. Ich empfand das damals als persönliche Schmach und Versagen meinerseits. Deshalb habe ich mich ein Jahr lang, jeden Tag auf unserem Hof an die Teppichstange gehängt. Nicht wesentlich größer, kam ich dann endlich mit sieben Jahren in die „Artur-Becker“ (ein kommunistischer Widerstandskämpfer im spanischen Bürgerkrieg ) – Oberschule. Ich hatte keine Vorderzähne (Milchzähne) mehr, durfte deshalb beim Fotografen nur mit geschlossenem Mund lachen, bei meiner Zuckertüte brach nach zwei Minuten die Spitze ab. Und zu Hause mußte ich zu meinem Entsetzen auch noch feststellen, daß der Inhalt dieser Tüte weniger aus süßen, dafür um so mehr aus praktischen Dingen wie Schuhputzzeug, Fingernagelnecessaire und Nähzeug bestand. Naja, der Ernst des Lebens hatte eben begonnen.
Wie ernst, merkte ich auch an dem Transparent in unserer Schulaula (wir aßen dort immer zu Mittag), auf dem ein Zitat unseres Schulnamensgebers stand: „Lieber im Stehen sterben, als auf Knien leben“. Disziplinarische Verfehlungen machte ich durch recht gute schulische Leistungen wett oder ich guckte eben auf das Transparent in der Aula. Ich ging zum Ballett, hatte Klavierunterricht, sang im Schulchor und machte Leistungssport – Schwimmen. Ich war ein richtiges „Full-Time-Kind“. So ein Kind erholte sich natürlich an der See. Wir hatten ein Riesenglück einen Ferienplatz in einem Ostseedorf ergattert zu haben, was damals in der DDR sehr schwierig war.
Jedes Jahr fuhren wir dort hin, bis ich eines Tages die Bäuerin dabei beobachtete, wie sie Katzenbabies im Ententeich ertränkte. Ich konnte es nicht verhindern und trat sie deshalb vors Schienbein und beschimpfte sie auch noch als Mörderin. Die Bauersfrau nahm es gelassen; unseren Urlaubsplatz für das nächste Jahr waren wir trotzdem los. Als Thälmann-Pionier durfte ich später einmal meine Ferien im Pionierlager verbringen. Das war eine Auszeichnung! Dort begegnete ich Erich Honecker, der mir die Hand schüttelte und Jasir Arafat der mir die Hand küßte.
Ab der neunten Klasse besuchte ich die erweiterte Oberschule „Otto von Guericke“, um in der zwölften Klasse mein Abitur zu machen. Otto von Guericke war im Mittelalter Bürgermeister von Magdeburg und entdeckte mittels eines Halbkugelexperiments das Vakuum. Diese Entdeckung hatte ich in unserem Land auch ohne Halbkugeln bereits gemacht. Der Wunsch auf der Bühne zu stehen, der seit frühester Kindheit in mir loderte, seinem Leben Farbe und Glanz zu verleihen und immer spielen zu dürfen, wuchs deshalb bei mir ins Unermeßliche. Noch während der Schulzeit nahm ich an allen Schauspielschulen der DDR an Aufnahmeprüfungen teil. Vergebens – Ich fiel immer durch. Insgesamt sieben mal. 1979 legte zwar ein gutes Abi hin, hatte aber keinen Studienplatz. Also bewarb ich mich beim Reisebüro, weil ich dachte in der DDR hat man dort ja nicht allzu viel zu tun. So einfach war es dann doch nicht, am Ende des Tages stimmten meine Abrechnungen nämlich fast nie, aber am Schalter war ich immer die Lustigste. Um dem Lande weiteren ökonomischen Schaden zu ersparen, versuchte ich es noch einmal an der Schauspielschule. Nach meinem nunmehr achten Versuch wurde ich endlich an der Theaterhochschule in Leipzig aufgenommen. Ich hatte das Gefühl, mein Leben beginnt! Wir genossen vier Jahre lang eine harte, aber sehr gute Ausbildung. Während meines Studiums war ich zum ersten mal verheiratet, nach meinem Studium zum ersten mal geschieden. Zu dieser Zeit spielte ich schon an verschiedenen Theatern und ging 1984 in Leipzig zum politisch-satirischen Kabarett.
Die nächsten fünf Jahre stellten eine sehr intensive Zeit dar, in der das Land aus seiner Lethargie und Erstarrung erwachte. Ich lernte Peer Jäger kennen, der sieben Jahre später mein Mann wurde. Wir waren zunächst „nur“ gute Freunde und Kollegen, erst viel später ein Paar. Nach vielen nächtlichen Diskussionen an meinem Küchentisch, beschlossen wir gemeinsam, die Rente nicht in diesem Land erleben zu wollen. Peer kam von einem Gastspiel im September 1989 nicht mehr zurück. Meine „bleierne Zeit“ begann. Das Leben, der Alltag, waren bestimmt von Angst und Hoffnungslosigkeit, aber auch von einer unsagbaren Wut auf das System und dem unbändigen Willen nach Demokratie und Freiheit. Das trieb uns Leipziger trotz staatlicher Bedrohung jeden Montag auf die Straße. Am 9.11.1989 fiel völlig unerwartet, die Mauer. Eine Woche später verließ ich mit einem Koffer die DDR. Leider konnte ich mich von niemanden mehr verabschieden, denn dann hätte ich zugegeben, von den Fluchtabsichten von Peer gewußt zu haben und das war zum damaligen Zeitpunkt noch strafbar. In Heidelberg, unserer ersten Station, begann nun unser neues und schönes Leben.
Das Zitat aus unserer Schulaula habe ich nie vergessen, doch bei mir würde es heißen:
„Wer im Stehen lebt, muß nicht auf Knien sterben.“