Philipp Baumgarten mit Georg-Christoph-Biller-Preis geehrt
„Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“. Der Titel des Buches eines deutschen Philosophen und gut geeignet zu fragen, wer dieser Philipp Baumgarten ist. Und wenn ja, was er alles ist. Mal ist er Raumentdecker und Raumerweiterer, mal Fotograf, dann wieder Kulturvermittler, Verleger, Autor, Hobbyarchäologe und freischaffender Künstler – je nachdem, was er gerade tut. Das jedenfalls, was er gerade tut, das macht er mit Hingabe und Leidenschaft, mit Optimismus und Ausdauer. Und er tut es aus tiefstem inneren Antrieb ohne auf Außenwirkung bedachtes Glockengeläut. In seinem Statement nach der Ehrung wird er sich später fast entschuldigend bei Unterstützern bedanken, besonders seinen Eltern, die trotz „…. der eher altruistischen als denn wirtschaftlich angelegten Projekte …“ Verständnis hatten für das, was er und wie er es tut.
„… für herausragende kulturelle Leistungen zum Wohle des Burgenlandkreises …“ wurde Philipp Baumgarten gestern (24.11.) im gut gefüllten Anisium der Winzervereinigung Freyburg in einer würdigen Veranstaltung geehrt. Der Preis, benannt nach dem einzigartigen Komponisten und Dirigenten, Georg Christoph Biller, wurde erstmals vergeben. Die Bedeutung Billers, den Zusammenhang dessen Schaffens zum ausgelobten Preis und dem heutigen Preisträger sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Kultur ordnete in seiner Ansprache Landrat Götz Ulrich ein.
In den Laudationes zogen denn auch Thomas Fritzsch als BLK-Sonderbotschafter und Kulturmanager Lion Hartmann Parallelen zwischen Biller und Baumgarten. Von Beharrlichkeit und Leistungsbereitschaft ist die Rede, von der Notwenigkeit gegenseitiger Wertschätzung und Kommunikationsbereitschaft wird gesprochen, auch von Niederlagen, dem Hinfallen und wieder Aufstehen, vom Ideenfinden und dem Durchsetzen von Neuem. Biller lebte es und erlebte es, Baumgarten erlebt es und lebt es.
„Das Fertige hat mich nie besonders interessiert,“ hatte der eben Geehrte in seiner Dankesrede bemerkt. Wer Baumgartens Geschichte kennt, weiß um den Antrieb, 2013 in seine Heimat zurückzukehren. Eben im Unfertigen sieht er Verwirklichungsräume, für sich und für andere. Und Unfertiges, davon fand und findet er in Zeitz jede Menge.
Von manch Unfertigem könnte man sich wünschen, es würde nie wirklich fertig, bliebe so ständig und auf Dauer in Bewegung. Kloster Posa zum Beispiel, das er als Mitbegründer des Vereins Kultur- und Bildungsstätte Kloster Posa e.V. mit den dort inzwischen angesiedelten Kreativen drauf und dran ist, zu einem Mekka für Events, künstlerisches Schaffen, Bürgerbegenungen und Bildung zu machen. Womöglich wird der Posaberg zudem noch zu einem Mekka für Archäologen. Denn Philipp Baumgarten treibt auch die Ausgrabungen dort voran und er rechne „… noch mit einigen Überraschungen, wonach womöglich Geschichte neu geschrieben werden muss.“
Apropos Geschichte und Geschichten, Geschichte mit Geschichten ins Heute holen, auch so ein Thema, das Baumgarten, hier nun als Verleger umtreibt. Wie etwa die Textsammlung „Die Verweltlichung des Himmels“, die im letzten Jahr in der EDITION POSA erschien. In einer kleinen Besprechung hatte ich dieses, inhaltlich wie haptisch übrigens sehr gelungene Buch, als „Almanach gegen Schwermut und Melancholie“ bezeichnet. Das Buch griff auch Lion Hartmann in seiner Laudatio auf. Vielleicht kein Zufall. Denn diese Sammlung und der Charakter dieses Buches sagt viel darüber aus, wie dessen Herausgeber tickt, was ihn antreibt: eben gegen Schwermut und Melancholie ankämpfen und zwar mit sehr Konkretem in seinen Aktivitäten – „… dieser Rezession zum Trotz und entgegen der utopiearmen Gegenwart …,“ wie Baumgarten über jene schrieb, denen er das Buch widmete.
Melancholie, Schwermut und utopiearme Gegenwart, dem hat Philipp Baumgarten viel entgegenzusetzen. Mag ihm manchmal zwischendurch auch bange sein, etwa wenn er als Ehrenamtler mit eher altruistischen als denn wirtschaftlich angelegten Projekten von hauptamtlich mit Kultur Befassten zu hören bekommt, was denn so ginge und was nicht – aufgeben oder aufhören sind seine Sache nicht. Bloß gut, denn als Anschieber verschiedenster Kunstprojekte im öffentlichen Stadtraum darf er sich getrost als Impulsgeber für die sich inzwischen stark entwickelnde Kreativwirtschaft in der Elsterstadt sehen.
Was allein die Projekte rund um OPEN SPACE Zeitz bis heute bewirken ist beachtlich. Sichtbar ist das nicht zuletzt an der Stadtraumgalerie mit Mural I bis III, aber auch daran, dass Leerstad heute als Chance und nicht Bedrohung wahrgenommen, durch überregionale Ausstrahlung als Freiraum mit Potenzial zunehmend nachgefragt und auch genutzt wird. Auf diese Initiativen sind, nach meiner Auffassung jedenfalls, die geänderten Sichtweisen auf die Stadt sowohl in den Medien als auch bei den Planungs- und Bedürfnisträgern zurückzuführen. Vielleicht ist das sogar sein größtes Verdienst.
Im Vorfeld schrieb der Burgenlandkreis zum Preisträger, den der ehemalige Kulturmanager Johannes Kunze vorgeschlagen hatte: „Er widmet sein kulturelles Wirken seiner Heimatregion und strahlt durch Kooperationen mit Hochschulen und Universitäten über die Grenzen des Landkreises hinaus. Mit seinen vielfältigen Projekten rund um Zeitz bezieht er die Bürgerinnen und Bürger mit ein. Ein Anliegen der von ihm ins Leben gerufenen Projekte ist die Vermittlung von Kultur und das Sichtbarmachen der Kulturregion Burgenlandkreis.“
Für mich ist Philipp Baumgarten vor allem ein optimistischer Raumerweiterer, der Freiräume öffnet – in der Stadt und in den Köpfen.
Hintergrund
Der in Nebra geborene Georg-Christoph Biller (20.09.1955 – 27.01.2022) war als national und international hoch angesehene Persönlichkeit ein herausragender Botschafter für den Burgenlandkreis. Von 1992 bis 2015 wirkte Biller als 16. Thomaskantor nach Johann-Sebastian Bach und wurde für seine Verdienste mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Nebra und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland Erster Klasse geehrt. Mit der Verleihung des nach ihm benannten Preises werden das Lebenswerk und der Heimatbezug Billers in lebendiger Erinnerung gehalten und im Sinne des Namensgebers Menschen zu außergewöhnlichen Bemühungen um die Kultur im Burgenlandkreis ermutigt.
Jährlich wird ein Preis vergeben, der nicht teilbar ist. Er kann an natürliche und juristische Personen verliehen werden, die ihren Wohnsitz oder Sitz im Burgenlandkreis haben oder in besonderer Weise mit diesem verbunden sind. Potentielle Preisträgerinnen und Preisträger werden für ihre außergewöhnliche und überdurchschnittliche Leistung geehrt, mit der sie sich für die Menschen im Burgenlandkreis besondere Verdienste auf kulturellem Gebiet erworben haben.
Der Preis wird 2023 erstmalig vergeben. Hierzu waren alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, Vorschläge einzureichen. Die fünfköpfige Jury, bestehend aus Robert Aßmann (Bildungs- und Sozialdezernent in Vertretung für Landrat Götz Ulrich), dem Sonderbotschafter des Burgenlandkreises, Thomas Fritzsch, dem Leiter des Amtes für Bildung, Kultur und Sport, Robert Brückner, dem Kulturmanager des Burgenlandkreises, Lion Hartmann, und der Vorsitzenden des Bildungs-, Kultur- und Sportausschusses, Kreisrätin Kerstin Beckmann, beriet über die eingereichten Vorschläge und entschied, welchem der Vorgeschlagenen der Preis zuerkannt wird.
(Quelle: Pressestelle Burgenlandkreis)