„Am Fluß“
Schauplatz Kreisverkehr am Kalktor Zeitz.
Die Künstlerin Petra Mattheis setzt in Fenster
eines Hauses neun Frauengesichter.
Sie schauen zu dir. Was sehen sie? Was denken sie?
Du schaust zu Ihnen. Was siehst du? Was denkst du?
Petra Mattheis über ihre Arbeit
Text: Petra Mattheis, Fotos: Regentaucher
Fotos: Reiner Eckel
„Gerade das war dann der Grund, dass ich dran blieb.“
Seit Oktober 2022 ist Maksym Melnyk als Stadtschreiber in Zeitz tätig, wo er im Auftrag der Produktionsfirma Zero One eine Dokumentation über die Stadt für den MDR erstellt. Ich traf ihn im Dezember und er berichtete von zahlreichen Gesprächen, die er bereits mit Zeitzer Einwohner*innen geführt hat. Ein Mann, der seit Jahrzehnten in Zeitz lebt, beeindruckte ihn besonders mit seiner schockierten Feststellung über die leeren oder vernagelten Fenster, die er als „tote Augen” bezeichnete.
Angeregt durch diese Aussage, suchte Maksym nach einer Künstler*in, die bereit war, ein Experiment durchzuführen, um diese verschlossenen Fenster wiederzubeleben. Herr Meinecke vom Gebäude- und Flächenmanagement schlug das Haus am Kalktor vor, dass demnächst abgerissen wird. Es steht vermutlich seit langem leer und die letzte Sanierung lag in den 1980er Jahren. Aufgrund seiner schmucklosen Erscheinung konnte ich erst keinen Gestaltungsansatz finden. Zudem handelte es sich um einen stark frequentierten Verkehrsknotenpunkt. Gerade das war dann der Grund, dass ich dran blieb.
Werkangaben zum Projekt:
„Am Fluß“
Zeitzer Kalktorkreisel,
neun Portraits von Gesichtern,
erstellt mit Hilfe Künstlicher Intelligenz,
je 100 x 152 cm,
Hochdruck auf Holzplatten, Rettungsfolie,
2023, Petra Mattheis
„Ich stellte mir vor, wer hier wen sieht oder nicht sieht.“
Nach Besuchen zu verschiedenen Zeiten und angesichts der schwierigen Situation des Hauses überlegte ich, wie ich das Projekt absagen könnte. Das Haus war früher Sitz einer Friseurgenossenschaft. Ich überlegte, welche kreative Herangehensweise ich für das Haus finden könnte. Ich probierte einige Ideen aus, verwarf sie aber schnell wieder, da sie zu zeitaufwendig und kostspielig wären.
Ich stand mehrmals am Verkehrskreisel und betrachtete das stille Haus. Ich beobachtete die Bewegungsmuster der Autos und Fußgänger*innen und stellte mir vor, wer hier wen sieht oder nicht sieht und wer aus dem Haus das Geschehen beobachtet. Inspiriert durch den unaufhörlichen Verkehrsfluss kam ich auf die Idee der Frauen am Fluss. Aufgewachsen in der Nähe des Rheins, ist die Lorelei ein mir vertrauter Mythos. Ich dachte an Gesichter in den Fenstern, die eine ähnliche Anziehungskraft auf Passant*innen ausüben könnten, eine Verbindung zur Idee des „Innehaltens und Schauens“. Es handelt sich um eine künstlerische Interpretation, die keine reale Beziehung zwischen den Frauen in der Installation und den potenziellen Betrachter*innen vorsieht.
„Sie sind da. Hier. Sie schauen, beobachten.“
Daraus entwickelte ich folgendes Konzept: Neun Gesichter, die die Fenster der ersten Etage vollständig füllen sollten. In Anlehnung an die ehemals im Haus ansässige Friseurgenossenschaft plante ich, die Portraits mit Haaren aus Rettungsfolie zu gestalten. Im Februar begann ich mit der Produktion der Gesichter. Da ich keine real existierende Menschen abbilden wollte, erstellte ich Porträts von Frauen unter Zuhilfenahme Künstlicher Intelligenz, die ich dann in Schablonen umwandelte. Diese druckte ich als Hochdrucke auf große Holzplplatten und gestaltete schließlich die Frisuren aus Rettungsfolie. Es ist der Topos der Frau, die sitzt und angeschaut wird. Doch sind das hier Frauen, die nicht versuchen zu gefallen, indem sie lächeln. Sie sind da. Hier. Sie schauen, beobachten.
Danke
Dank an Jörg Meinecke und Lars Werner, Stadtverwaltung Zeitz. und an Maksym Melnyk, der nun noch mehr Gesichter der Stadt Zeitz anschauen kann.