Eine Hexe in Zeitz und eine kurzweilige Lesung
Man könnte sich durchaus daran gewöhnen. Kurzweilig war sie, die kleine Lesung von „Hexen, Schnaps & Liebeskummer“ im Cafè LAURINI mitten in der Fußgängerzone.
Angenehmes Ambiente, dazu eine leckere heiße Schokolade und zwei Menschen, die unterhalten. Man könnte sich daran gewöhnen, wenn es so etwas öfter gäbe. Kultur in der Innenstadt. Etwas shoppen und dann entspannt etwas aus guten Büchern hören.
Roland Rittig hatte sich das Liebesleben Gottfried August Bürgers ausgewählt und las aus dessen Briefen und Gedichten. Viel heiße Liebe und überbordende Wollust war dabei im Spiel, zumal Bürger mit Dorette und Auguste zwei Schwestern liebte. Gleichzeitig und gleich innig liebte er sie, was ganz sicher nicht nur vor 200 Jahren mit allerlei Komplikationen und am Ende viel Leid verbunden sein musste. So beschrieb Bürger denn auch das Gefühl des Liebens als den Aufruhr der Lebensgeister.
Kurt Wünsch las eigene Texte. Zwischendurch erzählte er kleine, manchmal leicht frivole Geschichten mitten aus dem Leben. Etwa solche von seiner „Entspannungstour nach Zeitz“, die er mit einer „Hexe aus Zeitz“ nach einigen Irritationen im Harz beendete. Oder jene Frau, die ihn für pünktlich, willensstark, konsequent und charakterfest hielt. Schließlich säße er regelmäßig immer Dienstags, immer nach Acht in immer derselben Kneipe am selben Platz und trank seine vier Schnäpse.
Was bei Wünsch Fiktion, was Erlebtes ist – man weiß es nicht. Anders in seinen Liedern, die an diesem Abend aus der Retorte kamen und von viel Weisheit wie viel Humor zeugten.
So erlebten die etwa Vierzig Hörgäste des Abends leidvoll-lustvolles aus der großen deutschen Literatur ebenso wie mit Augenzwinkern erzählte kleine Alltagsgeschichten eines Zeitgenossen.
Wer weiß, ob man sich doch daran gewöhnen könnte, denn der Chef des Hauses ließ verlautbaren, es gäbe die Absicht, hin und wieder solche und ähnlich Abende zu geben. Eine Belebung an die sich leichter zu gewöhnen wäre als an eine leblose Innenstadt.
P.S.: Woran sich Kurt Wünsch übrigens nicht gewöhnen könnte. Daran, dass er am Zeitzer Bahnhof ankam und nicht erkennen konnte, wo es so richtig lang geht. Daran, dass er jedenfalls nicht erkennen konnte, dass da eine Brücke gesperrt ist. Daran, dass offenbar mehrere befragte Zeitzer es auch nicht wussten, nicht wissen wollten oder nicht konnten. Daran, dass er zu Fuß einen langen Umweg nehmen musste. So etwas, so Wünsch, habe er noch nirgendwo erlebt.