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Der Kampf ums Klinikum

Der Kampf ums Klinikum

Weshalb er in Zeitz von besonderer Brisanz ist

Im Klinikum Zeitz sollen zum Mai die Kinderstation und die Geburtshilfe geschlossen werden. Das kündigte der Betreiber SRH an. Dessen Aufsichtsgremien beraten dazu am 27. März. Das treibt die Menschen auf die Straße. Zu Recht, denn gerade in Zeitz böte das besonderen sozialen Sprengstoff. Das ist aber noch nicht alles.

Über Gründe für Hierbleiben und Ankommen

Es macht wenig Sinn, darüber zu orakeln ob tatsächlich Personalmangel der Grund für die Schließung ist. Auch die Feststellung, Schließungen von Geburtshilfen und Kinderstationen seien bundesweit auf der Tagesordnung ist hier fehl am Platz. Denn es dürfte bundesweit kaum einen Ort geben, an dem die Auswirkungen einer solchen Schließung ähnlich dramatisch sein würden wie in der Elsterstadt im Süden Sachsen-Anhalts.

Hatten die Menschen hier die Deindustiealisierung in den 1990er Jahren, der 18.000 Arbeitsplätze zum Opfer fielen, noch in Demut vielleicht auch mit Hoffnung, ertragen spüren sie jetzt das Ende der Fahnenstange. Die Bevölkerung, inzwischen halbiert, vergreist zusehends, der Leerstand nimmt zu, die Einwohnerzahl ab, der Anteil der Jüngeren schrumpft wie der Anteil der gut Qualifizierten. In nahezu allen wichtigen Parametern, mit denen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität vergleichbarer Städte gemessen werden, zieht diese Mittelstadt den Kürzeren. Trotz aller, wie nach der Wende in allen Städten, auch hier sichtbarer Verbesserungen an Infrastruktur und Wohnraum etwa, ist nicht übertrieben zu sagen: der Trend zeigt konstant … jedenfalls nicht aufwärts.

Über große Happen. Und kleine Häppchen.

Dann, seit Bekanntwerden des Braunkohleausstiegs und den damit verbundenen sogenannten „Kohlemillarden“ keimte soetwas wie Hoffnung auf, ein Aufbruchgefühl. Zumal es hier, sozusagen mitten im Revier, mutmachende Äußerungen gab. Wie die des Ministerpräsidenten im Februar 2021 im Zeitzer Bahnhof, die Landesregierung wolle „Zeitz zur Modellregion erfolgreicher Transformation machen“. Seitdem gibt es diesen und jenen Förderbescheid, diese und jene Verlautbarung. Menschen kümmern und engagieren sich, entwickeln Projekte um größtmögliche Mittel in die Region zu holen, welche die Lebensqualität verbessern helfen. Wenigstens das, wenn sie schon Wirtschaft nicht damit fördern dürfen. Für die Menschen hier indes ist davon bislang nichts sichtbar, geschweige denn spürbar. Schlimmer noch. Sie spüren, die großen Happen aus den Strukturwandeltöpfen nahmen andere und sie ahnen, die kleinen Häppchen reichen nicht. Das macht sie nicht zufriedener.
Dann kommt noch der Krieg nach Europa, Kosten steigen, Neuberechnungen erfolgen, Ziele werden in Frage gestellt oder korrigiert. Das macht die kleinen Häppchen noch kleiner und wirkungsloser. Die Menschen sind nicht dumm, sie spüren, sie könnten nach den Neunzigern zum zweiten Mal als Verlierer des Strukturwandels dastehen.

Politik hat sich zu bemühen

Und hier, mitten hinein in eine Stimmung aus unbeantworteten Fragen nach Zukunft und schwindender Hoffnung kracht diese Nachricht: in Zeitz werden ab Mai keine Kinder geboren, keine Kinder gesund gepflegt, Schwangere auf Reisen geschickt. Mitten hinein schwindet nun auch noch einer der letzten Gründe für das Hierbleiben oder gar das Neuankommen – die medizinische Grundversorgung. Der Verweis darauf, dies sei die Entscheidung eines Unternehmens kann wohl nicht genügen. Politik hat sich zu bemühen, zumindest halbwegs vergleichbare Lebensverhältnisse im Land zu schaffen. Das gilt auch und erstrecht am unteren Rand der Landesgrenze. Denn die Menschen gucken über den Tellerrand und vergleichen, ob sie lieber hier oder lieber dort leben wollen. Seit Jahren spüren wir genau das schmerzhaft. Und wir sehen auch, wohin sich Unzufriedenheit wenden kann. Niemandem im Land darf das egal sein.

Reiner Eckel

Deshalb, kommt alle, bringt Kind und Kegel mit!:

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About The Author

REINER ECKEL Jahrgang 1953, wohnt in Zeitz. Der Web 2.0-Enthusiast ist in Sachen Web, Grafik und Layout als Autodidakt unterwegs. Betreibt zeitzonline.de seit 23. Februar 2011.

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