Dezember 03, 2024

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Der kurzatmige Chor der Unbedarften

Der kurzatmige Chor der Unbedarften

Über Schulentwicklung á la Zeitz und die Idee einer Schulschließung

Onlinepetitionen, Offene Briefe, Unverständnis zum Verfahren – so reagieren Betroffene und weite Teile der Öffentlichkeit auf Pläne zur Schließung der Grundschule Bergsiedlung.

Schule ist im Land seit jeher ein sensibles Thema. Einer experimentierfreudigen Bildungspolitik und Sparideen von offensichtlich bildungsfernen Politikern ist das zu verdanken. Veränderungen in der Schullandschaft wollen mit Bedacht, möglichst langfristig und im Dialog angegangen werden. Das ging am hiesigen Rathausturm offensichtlich gänzlich vorbei.
Wer wollte sich darüber wundern, dass sich nun in Zeitz Widerstand formiert? Die Stadt will den Stadtrat in einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung die Schließung  der Grundschule Bergsiedlung beschließen lassen. Was dort argumentiert und begründet wird, darf, nein muss hinterfragt werden. Plötzlich hat es der kurzatmige Chor der Unbedarften im Rathaus einmal mehr eilig. Es geht um Fördermittel. Und es geht um Versagen.

Hat sich da wer verrechnet?

Der Stadtrat hatte beschlossen, die Grundschule Zeitz-Ost zu sanieren, wozu Fördermittel aus dem EFRE-Programm zur Verfügung stehen. Das war im letzten Jahr.
Die Schule sollte teilweise zurückgebaut werden, um eine bestimmte Zahl SchülerInnen als Grundschule aufzunehmen. Der entsprechende Fördermittelantrag wurde nun, was niemanden wundern sollte, überprüft. Ergebnis: räumlich ist das Projekt im Antrag doppelt so groß, wie eigentlich benötigt! Deshalb steht nun die Förderfähigkeit auf der Kippe.
Es steht aber auch die Frage, was dort wer eigentlich berechnet hat. Die Stadt indes stellt sich diese Frage nicht. Sie kommt auf die Idee des vermeintlich geringsten Widerstandes – Grundschule Bergsiedlung schließen und dort einziehen. Und, wie schon so oft, setzt sich die Stadt selbst einen engen Zeitplan“, wie es in der Begründung der Stadtratvorlage heißt. Das war nicht nötig hätte man vor, während und mit der Antragstellung die notwendige Sorgfalt walten lassen. Nun wird einmal mehr aus der Hüfte geschossen und das auch noch als „einmalige Chance“ verkauft.

„Einmalige Chance“?

Man könnte die um diesen Entscheidungsvorschlag herum gebaute Argumentation schon fast als hinterhältig bezeichnen.

„Es besteht die einmalige Chance, zwei Grundschulen in einem dann modern sanierten Gebäude zusammenzuführen,“ heißt es da. Und gleichzeitig, auch nicht neu, baut die Stadt Druck auf die Betroffenen und den Stadtrat auf indem sie schreibt:
„Folgt man der Variante 1 nicht, könnte sich die Grundschule Bergsiedlung benachteiligt sehen, weil auf absehbare Zeit keine Mittel zur Sanierung dieses Gebäudes zur Verfügung stehen.“ Sie begründet das mit dem hohen Sanierungsbedarf in der Grundschule. Vor kurzem war das offenbar noch kein Problem.

Zu dieser Argumentation ist zu bemerken, ob denn diese „einmalige Chance“ für ein modernes Grundschulzentrum in Zeitz-Ost nicht schon vorher bestanden hat. Hat sie, es gab auch Diskussionen darüber. Auf die nächsten 20 bis 30 Jahre vorgedacht darf allerdings auch die Sinnhaftigkeit dieser Idee hinterfragt werden.

Vorlagen und Begründungen hier zum Nachlesen

Keine Hütchenspiele

Schon das Verfahren ist schlicht eine Sauerei. Erst gestern Abend wurden eiligst Sitzungsunterlagen verteilt. Bis dahin wurden Stadträte nur mündlich informiert. Offensichtlich hat das inzwischen Methode, wie wir aus anderen Zusammenhängen lange wissen. Nun sind gewählte Stadträte keine Hütchen, die man nach Belieben hin und herschieben kann. Kinder im Alter von Grundschülern schon gar nicht. Und deren Eltern nicht. Und nicht deren Lehrerinnen und Lehrer.

Während diese Stadtverwaltung für eine schnöde Website 2 ganze Jahre in Arbeitsgruppen ergebnislos verplempert, will sie nun binnen zwei Wochen dermaßen tiefgreifende Veränderungen in der Schullandschaft durchpeitschen? Es ist nicht zu fassen, was dieser kurzatmige Chor der offensichtlich Unbedarften zu leisten imstande ist. Und was nicht.

Dieser offene Brief des Schulelternrates erreichte uns heute:

„Zeitz, 14.06.2018

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
der Schulelternrat der Grundschule Bergsiedlung Zeitz erfuhr vom Schließungsvorhaben unserer Schule durch die Stadtverwaltung Zeitz.
Da weder wir, noch das Kollegium in einen Meinungsaustausch oder in Gesprächsrunden einbezogen wurden, entschlossen wir uns, einen offenen Brief zu schreiben. Unseres Wissens ist eine Schulschließung eine äußerst schwierige politische Entscheidung, die langfristig vorbereit werden sollte.

Wir erwarten, dass einmal an die Kinder gedacht wird und nicht immer nur Geld und Zeitdruck im Vordergrund stehen.

Auf Nachfragen erfuhren wir, dass die Schulleiterin kurz vor Beginn einer Dienstberatung am 06.06.2018 von Frau Langenberg in Kenntnis gesetzt wurde. Dabei nannte diese vier Varianten, um die Modernisierung und Sanierung der Grundschule Zeitz-Ost durchzuführen.

  1. Bauliche Verkleinerung des Komplexes
  2. Evangelische Grundschule verbleibt mit im Objekt
  3. Zusätzliche Nutzung durch eine KITA im Erdgeschoss
  4. Grundschule Bergsiedlung schließen und Zusammenlegung mit Zeitz/Ost

Seit 1991 ist die Grundschule Bergsiedlung eine feste Größe in der Zeitzer Schullandschaft und unter den Eltern äußerst beliebt. Dies belegen die Zahlen der Schulentwicklungsplanung und auch die jährlichen Anträge auf Beschulung durch die geöffneten Schuleinzugsbereiche:
Schuljahr 2018/2019 – 14  Elternanträge
Schuljahr 2019/2020 – 17 Elternanträge

Über zwei Jahrzehnte hinweg stellte sich das Kollegium neben der täglichen Unterrichtsarbeit allen zusätzlichen Anforderungen der Schulpolitik. Dafür stehen nachfolgende Beispiele:

  • langfristige Führung von Vorschulklassen für das gesamte Stadtgebiet – ebenso Stützpunktschule für Schüler mit Lese-Rechtschreibschwäche aus Zeitz und dem ehemaligen Landkreis 
  • 2005 einzigste Grundschule der Stadt, die im Kooperationsvertrag zwischen den zwei Sonderschulen und der Sekundarschule Schwanenteich zum „gemeinsamen Lernen“ verankert war 
  • 2007 Miterarbeitung und Gründung des Förderzentrums Zeitz – in diesem Zusammenhang wurde seit dem das Erdgeschoss barrierefrei gestaltet, so dass hier viele Schüler mit allen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten am gemeinsamen Unterricht teilnehmen können
  • 2013 stellte sich unsere Schule im Zeitzer und Naumburger Bereich als einzige Grundschule den Anforderungen einer inklusiven Schule und erhielt dafür die Zertifikation des Landes

Neben all diesen großen Aufgaben im schulfachlichen Bereich, verfügt unsere Grundschule für die jüngsten der Schulkinder, über einen traumhaften Schulstandort. Dieser bietet hervorragende Bedingungen in unmittelbarer Nähe für eine erfolgreiche Schulentwicklung.

  • eine eigene Turnhalle, übrigens 2012 mit Fördermitteln saniert
  • Schulgarten mit einem grünen Klassenzimmer und Biotop ausgestattet
  • Spielplatz
  • Rasenflächen des angrenzendem Puschendorfstadions zur Nutzung
  • über schulgebundene, bereits genehmigte Fördermittel erhält die Schule 2018/2019 eine IT-Ausstattung
  • ebenso ist eine Alarmanlage genehmigt
  • erstmalig besuchen ab 2018/2019 auch die Schüler des Elsterhangs unsere Einrichtung, da die Einzugsgebiete jetzt erst geändert wurden 

Fleißige Bürger aus der Stadt Zeitz / Bergsiedlung bauten aufopferungsvoll vor fast 70 Jahren diese Schule im NAW-Einsatz für ihre Kinder und weitere Generationen.

Wir als Eltern arbeiten das gesamte Schuljahr eng mit der Grundschule zusammen und sind in vielen Veranstaltungen des Schulprogrammes zur Unterstützung involviert. So stehen wir u.a. seit Jahres an der Seite des Lehrerkollegiums bei Säuberung und Verschönerungen des Gebäudes und des gesamten Schulgeländes.

Viele von Ihnen, sehr geehrte Stadträte, sind Eltern oder Großeltern. Dadurch können Sie sehr gut nachvollziehen, wie wichtig es in der heutigen Zeit ist, in der es überall viele Brennpunkte gibt, über eine intakte und familiär arbeitende Einrichtung dieser Größenordnung zu verfügen, die unseren Jüngsten eine solche Wohlfühlatmosphäre in ihrem Schulalltag bietet.

Sie wissen nur zu gut, dass die Zeit der Schulschließungen lange vorbei ist. In der letzten Legislaturperiode hieß es im Bildungsausschuss: „Die Grundschule „Am Schwanenteich“ ist die letzte, die geschlossen wird. Dann bleibt die Schullandschaft in Zeitz unangetastet.“ Uns bewegt auch, dass man folgende Variante für einen zukünftigen Standort nicht in Erwägung zieht.

  • die ehemalige KITA – Pittiplatsch (rechter Teil) wird als Ausweichobjekt für die Grundschule Zeitz/Ost saniert und vorgerichtet
  • dieser Teil, zusammen mit den Räumen der Grundschule Bergsiedlung könnte die weitaus wenigeren Schüler aus Zeitz/Ost auch später mit aufnehmen
  • das Gebäude könnte zusätzlich für alle am Nachmittag als Hort genutzt werden
  • hieße, dass es auch möglich wäre, einen gemeinsamen Standort mit den vorhandenen Fördermitteln im Platanenweg anzusiedeln

Die Schüler, Eltern und Lehrer sind stolz, über einen solchen Schulstandort für die Grundschüler zu verfügen, denn Eltern wollen keine Schulzentren sondern überschaubare Grundschulen, wie wir eine haben.

Aus all den kurz zusammengefassten Fakten, ist ersichtlich, dass sich die Schulelternschaft und viele Zeitzer Bürger (siehe auch Meinungen in den sozialen Netzwerken) eine Schließung dieses beliebten Schulstandortes nicht vorstellen können und wollen.

Ingo Gerster stellv. Vorsitzender des Schulelternrates“

About The Author

REINER ECKEL Jahrgang 1953, wohnt in Zeitz. Der Web 2.0-Enthusiast ist in Sachen Web, Grafik und Layout als Autodidakt unterwegs. Betreibt zeitzonline.de seit 23. Februar 2011.

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