Oktober 13, 2024

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Vom Geschmack der Wörter
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Vom Geschmack der Wörter

Warum wir Wörtern rund um das Zeitzer Klinikum misstrauen

Es gibt Wörter, die lassen dich die Düfte ferner Gebirgswiesen riechen, ein Dinner schmecken oder frische Bäckerbrötchen mit Honig. Obwohl Nacht ist läufst du durch Wüstensand und die Wörter lassen dich beim Lesen der Sonne entgegen blinzeln. Wir vertrauen diesen Wörtern, dem Geschmack dieser Wörter.

Dann gibt es Wörter ohne Geschmack. Sie sagen uns nichts, sie schmecken nach nichts. Es sind Wörter, denen wir misstrauen.

„Gebündelt werden müssen die stationäre Frauenheilkunde/Geburtshilfe und Pädiatrie in Naumburg. „Eine Entscheidung, die uns allen nicht leichtfällt,“ betont Klinik-Geschäftsführer Lars Frohn.“ (Pressemitteilung vom 18.10.). Betont oder gar begründet wird also nicht die Entscheidung, betont wird, dass sie „uns allen nicht leicht fällt.“ Das sind Wörter, die haben wir sehr oft gelesen und schon oft gehört. In den wilden Zeiten früher betrieblicher Mitbestimmung nach der Wende nannten wir solche Wörter „soziales Grunzen“.  Und wer ist überhaupt mit „uns allen“ gemeint?

Dass in Naumburg „gebündelt werden muss“, dass weiß man ganz sicher, wenn’s auch nicht leicht fällt. Was hingegen am Klinikum Zeitz zu tun wäre, das beschreiben folgende Wörter der gleichen Mitteilung: „Im Gegenzug wird der zusätzliche Aufbau weiterer Leistungsbausteine in Zeitz intensiv geprüft.“ Offenbar fällt „uns allen“ nicht leicht, zu entscheiden was für Zeitz die beste Entscheidung wäre – es wird „intensiv geprüft“. Wörter, die nach nichts schmecken. Wörter denen zu misstrauen ist. Weil, es sind Wörter, die wir zum Teil schon einmal hörten, manche mehrfach. Konkret auf das Klinikum bezogen zuletzt bereits vor zwei Jahren, als der Ausbau der Notfallmedizin in Zeitz schon einmal vollmundig angekündigt wurde.

Nein, das Aktionsbündnis Zeitz hat vollkommen recht mit der Forderung, das Klinikum nicht anzutasten, sondern es zu stärken. Wir wiederholen uns gerne:

Zeitz gehört zu den zwei strukturschwächsten Gegenden, bundesweit. Das BiP, bei der Qualifiziertenquote, in der Kaufkraft, bei den Leerstandsprognosen und der Bevölkerungsentwicklung, bei den Einnahmen aus Steuern…in nahezu allen relevanten Parametern gehören wir zu den Schlusslichtern. Verantwortungsvolle Politik muss das im Blick haben und alles, wirklich alles dafür tun, Impulse für eine Verbesserung dieses Zustandes zu setzen. Mit der Entscheidung, Gynäkologie und Geburtenstation nach Naumburg verlagern werden ganz im Gegenteil diese Zustände nachhaltig zementiert, im besten Fall. Im schlimmsten Fall wird die Struktur substanziell geschwächt. Verantwortungsvolle Politik würde die Klinik in Zeitz aus genannten Gründen stärken, nicht zusätzlich schwächen. Schon jetzt ist absehbar, dass Fachpersonal abwandert, nachdem ohnehin schon ein chronischer Mangel besteht. Viele sehen daher die akute Gefahr der nachhaltigen Schwächung des Klinikstandortes, an der anvisierte „Ausgleichsmaßnahmen“ nichts ändern würden.

Gerade in den letzten drei Jahren haben sich viele Menschen hier, beruflich und ehrenamtlich, mit großem Engagement bemüht, eine Aufbruchstimmung unter den Menschen zu generieren, wenigstens gefühlt. Eine Kraftanstrengung war, seit zwei Jahren bei der Zu- und Abwanderung einen ausgeglichenen Saldo zu erreichen. Insbesondere junge Menschen nahmen den Aufwind wahr und zogen, nicht zuletzt auch wegen der umfänglichen Leistungen des Klinikums in die Region in und um Zeitz.
Was jetzt passiert, wird uns weit zurück werfen. Schlimmer noch – die Menschen verlieren das Vertrauen, das gerade im bevorstehenden Transformationsprozess rund um dem Kohleausstieg unabdingbar ist. Sie vertrauen nicht mehr darauf, dass im Strukturwandel die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden.

Nebenstehenden Post fand ich heute.
Mein Kommentar:

„Also gehe ich heute in mich und mit diesem Blatt durch meine Stadt. Sehen, was wir aufgeopfert haben. Erinnere mich an die Mittel, mit denen diese Opfer zustande kamen, und zu welchem Zweck. Um dann am Ende, ganz am Ende zu sehen und abzuwägen, was wir dabei gewonnen haben.
Ich ahne, ohne dabei etwas zu verwechseln, es wird eine ernüchternde Bilanz.“

About The Author

REINER ECKEL Jahrgang 1953, wohnt in Zeitz. Der Web 2.0-Enthusiast ist in Sachen Web, Grafik und Layout als Autodidakt unterwegs. Betreibt zeitzonline.de seit 23. Februar 2011.

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