„Zeitz? Oh, eine wundervolle Stadt.
Ich kannte nur graue Bilder,
aber alles ist hell und sehr freundlich hier.“
RONALD E. GLOUSMAN
Mindestens das Wetter muss sich wie zu Hause angefühlt haben für Ronald E. Glousman und seine Frau Marci. Sie kamen aus Los Angeles nach Zeitz. Glousman ist der Urenkel von Jacob Leschziner, dessen Familie Zeitz wegen der Nazis verlassen musste. Die jüdische Familie betrieb in Zeitz einige Geschäfte. Aber dazu später.
Ich treffe die Kalifornier mit dem Heimatforscher Aaron Guttstein, dessen Wissen über jüdisches Leben in Zeitz schier unerschöpfliches ist. Mit dabei sind Martin Exler, der etwas über seine Stadt erzählen wird und Martin Zeigner als Übersetzer. Für den Zugang zu den städtischen Sehenswürdigkeiten sorgt Jörg Meinecke, der in Begleitung der sachkundigen Einwohnerin Evelyn Dölz dabei ist. Sie werden die Gäste aus dem fernen Los Angeles durch die Stadt begleiten.
Zeitz von oben und Sitzprobe im Standesamt
Im Zeitzer Rathaus lockt der Turm für einen Blick von oben. Nebenher bekommen die Gäste Informationen zur Stadt und Antworten auf ihre Fragen. Erstaunen und ein oha löst etwa der rasante Bevölkerungsrückgang seit der Wende aus. Den Blick auf die Stadt von hier oben findet Ronald Glousman toll.
Nach dem Abstieg folgt ein Blick in den Ratssaal und seine Geschichte. Was sich das Paar später nicht nehmen lässt, ist eine Sitzprobe auf jenen Stühlen im Hochzeitszimmer, auf denen sich Verliebte das Ja-Wort geben. Auch an welchen Orten Heiraten in Zeitz noch möglich ist werden sie erfahren. So viele alte geschichtsträchtige Gebäude auf so engem Raum, das ist für Kalifornier denn doch überraschend.
Ganz verzückt sind die beiden Gäste vom Franziskanerkloster und seiner Geschichte. Auf der Runde durch den Kreuzgang erfahren sie von der Predigt Luthers und dem ersten evangelischen Bischof in Zeitz. Ronald Glousman saugt die Informationen durstig auf und ist offensichtlich beeindruckt von der Einstigen Bedeutung der Stadt seiner Vorfahren.
Ein Ausflug in das Art Deco und die heutige Nutzung des Capitol musste sein, das hier indes eine andere Funktion als jenes in der Hauptstadt seines Landes hat, wird verschmitzt bemerkt.
Anrührende Begegnung mit Orten
In der Judenstraße zeigt sich Ronald Glousman offensichtlich gerührt. Ob sein Vater wohl hier gebetet hat, will er beim Blick auf den ehemaligen Betsaal der Synagoge wissen. Ja, wahrscheinlich hat er hier gebetet, erzählt Aaron Guttstein. Minuten nachdenklichen Schweigens. Einst hatte die jüdische Gemeinde hier mehr als 200 Mitglieder, erzählt Guttstein. Von 98 wisse man, dass sie den Naziterror überlebt haben, von vielen sei deren Verbleib ungewiss.
In der Wendischen Straße besuchen wir die drei Häuser, in denen die Familie Leschziner Geschäfte betrieb. Erstaunlich, bereits damals führten sie hier (was Zeitzer später als den Deichmann kannten) einen Schuhladen. Nebenan, heute Jeans Fritz, führte eine Schwester Jacob Leschziner (Glousman’s Großvater) ein Geschäft für Oberbekleidung. Rechts daneben, im ehemaligen Haus der Massenorganisationen, eröffnete Jacob Leschziners Ehefrau 1929 eine Pension.
Ein Blick in die Geschichte
Aaron Guttstein sandte uns Fotos der Familie und die Informationen dazu.
Foto unten links:
vordere Reihe von links, Johanna Leschziner mit Erna, Erich Leschziner und Schwester Margarethe, hintere Reihe von links Paul Leschziner 1. WK, Jacob und Herbert Leschziner.
Foto unten rechts:
Johanna Leschziner geb. Neugarten und Jacob Leschziner zum 70. Geburtstag
Ein Dankeschön am Schluss
Danke an Marci und Ronald E. Glousman, dass ich dabei sein und die Bilder veröffentlichen durfte.
Großen Dank an Aaron Guttstein für die Mühen im Vorfeld, die Dokumente und freundlichen Auskünfte.
Jörg Meinecke, Martin Exler, Martin Zeigner, Evelyn Dölz danke fürs Öffnen und Schließen, Übersetzen, Führen, Dabeisein.