Bildungministerin Eva Feußner im Gespräch an Zeitzer Schulen
Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) zu Gesprächen an der Grundschule Stadtmitte/Sekundarschule III. Das zentrale Thema: Lehrermangel, dessen Folgen und wie sie zu bewältigen sind.
Das Bild der Sport treibenden Kinder am Boden der kleinen Turnhalle beim Rundgang durch die Schule, später im Gespräch wird es mir noch einmal einfallen: an unseren Schulen arbeiten ist ein ständiges Überwinden hoher Hürden, das Umlaufen von Hindernissen, es ist Leistungssport. Besonders in Zeiten des akuten Mangels an Lehrkräften. Das drückte Norbert Solf, Schulleiter der Sekundarschule III (Foto li. unt.), kurz und knapp in Zahlen aus: bei 79% Schulversorgung zählt er mit Stand November 382 Vertretungsstunden. „Wir können die Kinder ja nicht nach Hause schicken“, kommentiert er und lobt zugleich den Einsatz seines Kollegiums.
Lehrermangel, zentrales Thema des Gespräches mit Bildungsministerin Eva Feußner gestern (28.11.) am Schulstandort in der Schillerstraße. Dass die Ministerin mit dem Lösungspaket unterm Arm diesem nicht nur in Zeitz und nicht nur an Schulen bestehenden Mangelproblem den Garaus machen würde, konnte nicht erwartet werden. Es müsste schon jeder Sechste Abiturient Lehramt studieren, denn derzeit stünden 1.200 Studienplätze bereit. Es gäbe im Land jedoch nur 6.000 Abiturienten, führt die Ministerin aus. Zudem sei die Quote der Studienabbrecher beim Lehramtsstudium mit annähernd 50% vergleichsweise hoch. Zugespitzt wird die Situation durch Fluktuation. Die Erhöhung der Studienplätze allein würde nicht genügen, vermutlich auch nicht unbedingt die Entlohnung. Es sei nicht sicher, ob die in den Ländern unterschiedliche Vergütung ein Grund für Abwanderung von Lehrkräften sei. Die gäbe es aber. Grundschulleiterin DianaJacob berichtet, nach dem ersten Jahr seien in ihrem Bereich fünf Lehrkräfte Richtung Leipzig abgewandert. Es müssen also kurz- und mittelfrsitig andere Lösungen her.
Eine davon bringt Norbert Solf ins Spiel. Die Studierenden müssten viel früher Erfahrungen mit der Praxis machen, um ein klares Bild vom Beruf und den Eigenheiten der Schularten zu haben. Am besten schon vor dem Studium. Dies sogar verpflichtend zu machen, kam aus der Diskussionsrunde als ein Beispiel aus anderen Bundesländern. In der Runde saßen neben SchulleiterInnen der Sekundar- und Grundschulen auch Elternvertreter und der Arbeitskreis „Lehrermangel“. Der bildete sich 2021 aus dem Bildungsausschuss wegen der damals schwierigen Situation an der Grundschule in Nonnewitz. Seitdem hat dieses Team um Birgit Reinhardt und Evelyn Dölz akribisch analysiert, die Politik eingeschaltet, für Nonnewitz drei Lehrkräfte gewonnen und die Öffentlichkeit sensibilisiert. Und der Ministerin im Vorfeld der Gespräche neben kritischen Fragen einen Forderungskatalog gesandt. Kritische Fragen gab es auch heute. Etwa die, ob denn hinter den vielen von der Ministerin erwaähnten Projekten zur Lösung des Lehrermangels auch ein „systemischer Ansatz“ stehe, wie Birgit Reinhardt es formulierte.
„4+1“, Praxislerntage, Erhöhung der Studienplätze, Lohnangleichungen, Prämien für Quereinsteiger … und dennoch ist die Unterrichtsversorgung flächendeckend nicht ausreichend – eine Mammutaufgabe.
Was bleibt als Fazit? Alle wissen um das gravierende Problem, das kurzfristig nicht zu lösen ist und, wenn überhaupt, dann mit neuen Ideen und auf verschiedenen Wegen angegangen werden muss. Die Landesregierung muss sich um die Harmonisierung der Einkommen von Lehrkräften im Vergleich der Bundesländer kümmern, ausreichend Studienplätze bereitstellen und Schulsozialarbeit sowie pädagogische Mitarbeiter hinreichend absichern. Schulträger etwa können phantasiereich an Universitäten für ihre Stadt als Bildungsstandort mit attraktiven Angeboten werben. Beispiele, wie auch die Schulen selbst aktiv werden können, wurden im Gespräch diskutiert – Speeddating für junge Lehrkräfte etwa stünde gerade in einigen Regionen hoch im Kurs. Klar muss dann aber auch sein, das sind alles Aktivitäten, die Schule neben ihren eigentlichen Aufgaben, neben 382 Vertretungsstunden und zusätzlich leisten muss. Womit ich wieder beim Bild mit den Sport treibenden Kindern bin – Lehrkraft sein ist heute mehr denn je Leistungssport.
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