Altarbesuch des Ministerpräsidenten im Naumburger Dom
Heute blickt die schöne Uta von Naumburg scheinbar noch sanfter als ohnehin auf den Altaraufsatz im Westchor des Naumburger Domes. Das ist auch angemessen, denn das UNESCO-Weltkulturerbe hat hohen Besuch. Der Direktor der Vereinigten Domstifter Dr. Holger Kunde und Domdechantin Karin von Welck begrüßten Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff. Der zeigt sich heute ziemlich gelöst, obwohl es gewichtige Gründe für seinen Besuch gibt. Der erste: der Altaraufsatz kehrte erst im Dezember von seiner Reise zurück. Der zweite: eben dieser Altaraufsatz, auch Retabel genannt, über den sich der Landesvater informieren will, ist nicht unumstritten. Jedenfalls ist sein Standort auf dem Altar im Westchor umstritten. Ausgerechnet bei den Experten des Weltdenkmalrats Icomos. Die nämlich sehen die „äußerst sensiblen Blickbeziehungen im Westchor“ mit den weltberühmten Stifterfiguren als durch das Kunstwerk beeinträchtigt an. Das ging zwischenzeitlich so weit, dass öffentlich über eine Aberkennung des erst 2018 verliehenen UNESCO-Welterbetitels für den Naumburger Dom orakelt wurde.
Das Mittelteil des von Luka Cranach dem Älteren zwischen 1517 und 1519 geschaffenen dreiflügligen Altaraufsatzes war 1542 zerstört worden. Die Vereinigten Domstifter hatten den Leipziger Maler Michael Triebel mit der Vervollständigung des Mittelteils beauftragt. Im Juli 2022 wurde der erneuerte Altaraufsatz eingeweiht. Über seine Intension, den Marienaltar so zu malen wie er jetzt ist, gab der Maler selbst heute Auskunft (Bild unten re.).
Bei den Domstiftern hat man Belege, dass der Altaraufsatz eigens für diesen Altar im Westchor gefertigt und von Cranach gemalt wurde. Bei Icomos sieht man das offenbar nicht so. Wie kommt man aus dieser Situation heraus, die sich derzeit wie ein Patt anfühlt? Auch darum ging es dem Ministerpräsidenten bei seinem Besuch. Schließlich hatte das Land sowohl das Kunstprojekt gefördert als auch die Bewerbung um den Welterbetitel unterstützt.
Es ist schon einwenig seltsam zu welch unterschiedlichen Einschätzungen hochrangige Organistaionen kommen. Im Dezember 2023 kürt die internationale Organisation „Future for Religious Heritage“ mit Sitz in Brüssel das Cranach-Triegel-Retabel im Westchor des Naumburger Doms als Finalisten beim Wettbewerb „Religious Heritage Innovator of the Year 2023“. Zwei entscheidende Aspekte hatten hier eine wesentliche Rolle gespielt. In der Begründung lesen wir: „… Fast fünf Jahrhunderte nach diesem Ereignis (… der Zerstörung 1542 … Anm. d. Red.) beschlossen die Verantwortlichen für die Kathedrale, eine neue Mitteltafel anzufertigen, die sich harmonisch mit den beiden erhaltenen Flügel aus dem 16. Jahrhundert verbindet. Das Ergebnis war ein Tafelbild, dessen bewusste Modernität auch Menschen, die keiner Konfession angehören, nicht unberührt lässt.“ Außerdem würdigte die Jury die Vereinigten Domstifter für die umfassende Quellenanalyse zur Geschichte des Altares, aus der die ursprüngliche Positionierung des von Cranach geschaffenen Retabels auf dem Marienaltar des Naumburger Westchores erwiesen wird. Nur bei Icomos sieht man das anders. Uta und Mariens Lächeln sei erwähnt.
Und was sagt dazu ein Ministerpräsident? Reiner Haseloff sieht sein Land „als Treuhänder bei der Bewahrung der Weltkulturerbestätten im Land.“ Deren Status zu erhalten wolle er und das Land „… alle Innovationskraft und Motivation abrufen, die Gott uns in die Köpfe gelegt hat.“ Das sagte er zwar zu Beginn seines Besuches, es ist dennoch ein schönes Schlusswort.
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